Das hinduistische Kastensystem und dessen Folgen
1. Einleitung
Über eine Milliarde Menschen bevölkern inzwischen das am meisten bevölkerte Land der Erde, direkt nach China; - Indien.
Mit mehr als 900 Millionen Anhängern ist der Hinduismus die drittgrößte Religion der Welt. In Indien stellt sie die dominierende Staatsreligion dar und beeinflusst somit alle Bereiche im sozialen, kulturellen und politischen Leben auf dem Subkontinent. Die Anfänge dieser Religion reichen mehrere Tausend Jahre zurück und sie ist geprägt von vielen Ritualen und Mythen. Ein wichtiger Bestandteil ist das Kastensystem, welches ich hier beleuchten möchte. Das Kastensystem ist eine soziale Ordnung mit religiösem Hintergrund. Sie teilt die Gesellschaft in verschiedene Gruppen und erzeugt praktisch eine Rangordnung der verschiedenen, als Kasten bezeichneten Gruppierungen. Ein Mensch wird im Hinduismus in eine Kaste geboren und kann die Kaste im laufe seines Lebens theoretisch nicht wechseln, wobei es dennoch durch soziale Aspekte und Entwicklungen auch Ausnahmen gib, die im Folgenden aber noch weiter erläutert werden.
Besonders für die unterste Kaste, die so genannten „Unberührbaren“ gibt es kaum bis gar nicht eine Möglichkeit für sozialen Aufstieg. So bedeutet das System für viele Millionen Menschen ein Leben in Armut, aus dem es jedoch aus Religiösen Gründen keinen Ausweg gibt. Da der Hinduismus in Bezug auf die Wiedergeburt lehrt, dass die gegebene Kaste durch die Taten im vorangegangenen Leben festgelegt worden ist, wäre ein sozialer Aufstieg ein Verstoß gegen eine göttliche Entscheidung und in einem stark religiös geprägten Staat wie Indien praktisch undenkbar.
Ich möchte im Folgenden auf die Ursachen des Kastensystems, die genaue Form sowie ihre Verankerung im Hinduismus eingehen. Des Weiteren werde ich die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Systems beleuchten, sowie eventuelle Gegenmaßnahmen und deren Chancen.
Symbol des Hinduismus (Omzeichen)
2. Das Kastensystem
2.1 Allgemeine Informationen
In Indien wird jeder Mensch aufgrund seines Karmas in eine bestimmte Kaste hineingeboren. Diese Kastenzugehörigkeit ist vererbbar und die Regeln der Kaste bestimmen den späteren Ehepartner sowie das ganze spätere Leben (wie z.B. den Beruf).
Nach einer Erklärung Yogananda´s (ein spiritueller Lehrer), ist dieses heutige Kastensystem nur ein dekadentes Abbild einer ursprünglich flexiblen spirituellen Einteilung. Die ursprüngliche Kasteneinteilung hatte absolut nichts mit der Vererbbarkeit und Ökonomie zu tun, sondern sie war die Anerkennung eines bestimmten spirituellen Entwicklungsstandes, den jemand erreicht hatte; als Brahmanen bezeichnete man einen Wissenden, der die höchste Stufe der Erkenntnis erreicht hatte, der in das Brahman eingetaucht war.
Ein Kshatriya war ein Kämpfer, ein Mensch, der noch um die Wahrheit kämpfen musste und sich auf dem Weg befand, während ein Vaishya noch mehr im Materiellen verhaftet war und ein Sudra die unterste Stufe darstellte. An diese spirituelle Einteilung erinnert noch heute, dass alle jungen Kasten bis zur Initiation (Ausstattung mit der heiligen Schnur) auf der Ebene der Sudras stehen und keine Nahrungsgebote zu beachten haben. Erst bei der Initiation werden sie von Brahmanenpriestern in die Kaste ihrer Väter eingeführt.
Die genaue Anordnung der Kasten ist dieser Graphik zu entnehmen.
2.2 Geschichtliche Hintergründe / Wandlung
Diese spirituelle Ordnung wurde mit der Zeit in eine ökonomische Ordnung umgewandelt. Dies scheint mit einem allgemeinen Zerfall der Werte zusammenzuhängen, der eintrat, als die Arier sich mit den Nichtariern vermischten, die Brahmanen bestechlich wurden und somit bereit waren, für Geschenke und Geld, „Nichtarische“ in die Kaste aufzunehmen. Die Brahmanen führten für Geld Reinigungszeremonien durch und gaben so den Gewillten die Möglichkeit, in eine höhere Kaste aufgenommen zu werden. Im ursprünglichen Sinne werden diese 'Reinigungszeremonien' wohl Initiationsriten gewesen sein, in denen ein Wissender (Brahmane) einen Nicht-Brahmanen ohne Hinblick auf den materiellen Gewinn auf den Weg des Wissens führte, ihn als Schüler aufnahm mit dem Ziel, aus ihm einen Wissenden (Brahmanen) zu machen.
Nachdem die Brahmanen nun ihre wirkliche Macht durch ihre Hinwendung zum Materiellen, durch ihre Bestechlichkeit verloren hatten, mussten sie alles daran setzen, ihre Macht äußerlich zu festigen. Dies geschah durch die Vererbbarkeit der Kastenzugehörigkeit so, dass man sich seiner festen Pfründe (z.B. als Familienpriester) erhielt. Außer den vier Hauptkasten, Brahmanen (Priester), Kshatriyas (Krieger), Vaishas (Handels- und Gewerbestand) und Sudras (Arbeiter- und Bauernstand), entstanden durch die Abgrenzung verschiedener Berufsgruppen und Heirat unzählige Zwischenkasten, z.B. die Kaste der Dhobi (Wäscher), Goldschmiede und weiteren Arbeitsgruppierungen.
In dieser Zeit des orthodoxen Hinduismus, auch Brahmanismus genannt, erlangten die hellhäutigen Arier zugleich auch ihre politische Herrschaft über die Nichtarier. Religion war damit ein Mittel zur Erlangung der Macht geworden, der wesentliche Kern also verdeckt. Die vier Hauptkasten wurden als Kopf, Schultern und Arme, Eingeweide und Füße des Urmenschen, der von Brahman geschaffen wurde, angesehen und waren damit gottgegeben. Außerhalb dieser Kasteneinteilung standen die Parias, die Kastenlosen, die auch gleichzeitig die Ausgestoßenen waren. Nach diesem dekadenten arischen Kastensystem durften nur die drei oberen Kasten sich Arya nennen. Dieses Kastensystem fand seine Kritiker in den eigenen Reihen und führte zur Entstehung neuer Religionen wie Buddhismus und Jainismus, die das Kastendenken ablehnen. Buddha entstammte selbst der Kriegerkaste, verhielt sich wie ein Krieger im ursprünglichen Sinne und wurde zu einem Wissenden.
Über den Kasten stehend empfinden sich auch alle indischen 'Heiligen', Sannyasins, Sadhus, also alle, die einen wirklich spirituellen Weg gehen.
Besonders unerklärlich ist das Kastensystem deshalb, weil gerade in Indien eine große Flexibilität des Geistes vorgefunden werden kann, die alle Widersprüche vereinen kann und jeden in religiösen Dingen seinen eigenen Weg gehen lässt. Demgegenüber, dieses unmenschliche, unflexible Kastensystem, das den hochgestellten Kasten noch den Rahmen dafür bietet, niedrige Kasten auszubeuten und sich ihnen gegenüber unmenschlich zu verhalten.
Mit der Unabhängigkeit Indiens wurde der Kastenzwang aufgehoben, es ist strafbar, die Parias zu benachteiligen; es geschieht aber immer noch. In den indischen Zeitungen findet man oft Notizen, dass es zu Protesten kam, wenn 'Parias' ein bestimmtes Kontingent an Universitätsplätzen zur Verfügung gestellt bekamen oder sogar, dass die Hütten der Unberührbaren von Angehörigen der oberen Kasten niedergebrannt wurden.
Die 'unberührbaren' Kasten nennen sich heute selbst Harijans, d.h. Kinder Gottes, einen Ehrennamen, den sie von Mahatma Gandhi, der zeitweise mit ihnen zusammenlebte und -aß (siehe 'Mahatma Gandhi und die Unabhängigkeit Indiens'), bekamen. Die Harijans wehren sich heute selbst gegen ihre Unterdrückung, auf dem Land kommt es zu Landarbeitertreffen, bei denen die Forderung von höheren Löhnen und die Verweigerung der unreinen und unbezahlten (!) Arbeiten bei der Gutsfamilie durch die Harijan-Frauen beschlossen werden. Der Widerstand der Großgrundbesitzer reicht vom Anwerben auswärtiger Arbeitskräfte, denen dann doch höhere Arbeitslöhne gezahlt werden, bis zum Niederbrennen der Häuser derer, die ihr Recht verlangen. Aufgeklärt werden solche Fälle selten, da auch der Polizei meistens Geld näher steht als das Recht. Und so bestehen die Machtstrukturen immer noch weiter.
Quellen:
http://memory-alpha.org/de/wiki/Kastensystem
www.wikipedia.de
Brockhaus und Bertelsmannlexikon
http://www.wdr.de/tv/abenteuerglueck/indien_indien_kastensystem.phtml
http://www.heiliges-indien.de/kasten.htm
Graphik: Google Bilder
2.3 Folgen des Kastensystems
Die Kaste eines Menschen an sich sagt nichts über seine finanziellen Möglichkeiten aus. Es gibt keine religiöse Regelung, nach der ein „Unberührbarer“ nicht wohlhabender sein kann als ein Mitglied einer höheren Kaste. Allerdings ergibt sich eine klare Tendenz der niedrigeren Schichten zum geringeren Wohlstand. Dies resultiert aus der bereits im Abschnitt „Maßnahmen der Regierung“ angesprochenen Unterdrückung. Ein „Unberührbarer“ hat praktisch keine Möglichkeit, einen gut bezahlten Beruf zu ergreifen oder auf irgendeine Art und weise zu Reichtum zu gelangen. Hieraus entwickelt sich ein Kreislauf.
Die benachteiligten niedrigen Kasten verdienen zu wenig Geld, um sich aus ihrem Zustand zu erheben. Auch ist der Ausweg aus der Armut durch die Bildung der Kinder nahezu unmöglich, da die Familien Am Existenzminimum leben und häufig selbst um das finanzielle Überleben kämpfen müssen. Mehr als ein Drittel aller Inder sowie schätzungsweise 75% der „Unberührbaren“ leben unterhalb der Armutsgrenze.
Diese Teilweise extreme Armut ruft wiederum weitere Probleme hervor. Die Kinder besagter Familien sind gezwungen, selbst für das Überleben der Familie arbeiten zu müssen. Nicht selten handelt es sich bei diesen Arbeiten um die gefährlichsten und am schlechtesten bezahlten, die verfügbar sind. Die Kinder der Familien müssen in Bergwerken, Fabriken und Steinbrüchen arbeiten und sind dabei großen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Etwa 30% der indischen Kinder über sechs Jahren, die das achtzehnte Lebensjahr nicht erreichen, sterben aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen. Mehr als die hälfte aller Kinderarbeiter sind vor ihres 20. Geburtstags aufgrund von Verstümmelungen, durch Gifte und Chemikalien verursachte Krankheiten oder andere gesundheitliche Schädigungen arbeitsunfähig. Auch dies wirkt wieder einer Verbesserung der Lebensumstände entgegen, da die Familien der Betroffenen sich nun um ein Mitglied kümmern müssen, dass selbst keine Einkünfte mehr erwirtschaftet. Häufig werden diese Menschen zum Betteln geschickt. Eine besonders grausame Form ist hierbei ist, die „vorsätzliche“ Verstümmelung von Kindern, die dann zum Betteln geschickt werden. Hierdurch soll zusätzliches Mitleid erreicht werden.
Ebenso gehört das stetige und fast unaufhaltsame Bevölkerungswachstum Indiens zu den Punkten, die die ohnehin schon dramatischen Folgen noch zusätzlich fast gefährlich beeinflusst. Bei inzwischen über einer Milliarde Menschen kann die Hälfte der indischen Bevölkerung nicht Lesen und Schreiben, die Hälfte der Kinder sind unterernährt und ein Drittel der Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze. Auch wenn Indiens Lebensmittelproduktion sich in den letzten 50 Jahren durch die Grüne Revolution und durch Bewässerung verdreifacht hat, reicht dies nicht angesichts des Bevölkerungswachstums.
Mittlerweile geht die Reisproduktion zurück und die für jeden Inder verfügbare Anbaufläche ist seit 1960 um die Hälfte geringer geworden. Zudem sinkt der Grundwasserspiegel, da Indien doppelt soviel Wasser verbraucht, als durch Niederschläge ergänzt wird. Da 55 Prozent der Anbauflächen bewässert werden müssen, wird dies zu einem gewaltigen Problem werden. Ein weiteres unausweichliches Problem ist, wenn die Abnahme der Wasserversorgung zum Rückgang der Lebensmittelversorgung führt, wird die Sterblichkeitsrate steigen, und anfängliche Rückgänge der Sterblichkeitsrate durch Medizin und anderes, wieder zunichte machen. Ein gutes Beispiel für eine solche dramatische Situation bieten einige Staaten Afrikas mit deren derzeit explodierenden Geburtenraten. Auch dort stiegen die Mortalitätsraten enorm, und weisen gefährlich darauf hin, was Indien ähnlich blühen kann oder wahrscheinlich sogar wird.
Indien bewegt sich durch alle möglichen Einflüsse immer weiter in einen „Teufelskreislauf“. Durch den Hinduismus legitimiert man das Kastensystem, dass von seinem ursprünglichen Sinn deutlich abgerutscht ist und nun ökonomisch zur Ausweitung von Macht und Reichtum eine Große Kluft zwischen Arm und Reich reißt, die sich immer weiter vergrößert. Außerdem spielen die katastrophalen Lebensumstände in den unteren Kasten sowie die extrem hohe Bevölkerungswachstumsrate einen entscheidenden Faktor, um den Kreis zu schließen, zu erhalten und sogar weiter zu nähren.
Diese Graphik zeigt den Landbesitz pro Kastenzugehörigkeit in sechs Gemeinden des Deccan - Hochlandes. Zu erkennen ist ein rapider Abfall des Anteils am Landbesitz pro niedrigere Kaste. Wobei der zweiten bis vierten Kaste die meisten Anteile am Land gehören.
Quellen:
http://www.kas.de/wf/de/33.3653/
www.wikipedia.de
Graphik: http://www.zum.de/Faecher/Ek/BAY/gym/Ek13-1/images/kaste.jpg
3. Der Hinduismus
3.1 Hinduismus
Der Hinduismus ist die nach dem Christentum und Islam mit ca. 900 Mio. Anhängern drittgrößte Religionsgruppe und hat ihren Ursprung auf dem indischen Subkontinent. Angehörige dieser Religionen werden meistens Hindu genannt.
Er ist keine einheitlich organisierte Religionsgemeinschaft, sondern eine Gemeinschaft von vielen Religionsgemeinschaften mit einer ähnlichen Grundlage und Geschichte.
Ein Hindu sucht sich aus vielen Göttern (ca. 3 Mio., das sind nur etwa 300 Menschen pro Gott) seinen Gott heraus. Es gibt weder Glaubensbekenntnis, noch eine einheitliche Person oder als Kraft aufgefassten Gott.
Übereinstimmungen gibt es jedoch bei der Lehre von Leben, Tod und Erlösung.
3.2 Geschichte
Grob kann man die Geschichte des Hinduismus in 5 Abschnitte gliedern:
1. Vedische Zeit
Um 2000 v. Chr. wanderten arische Stämme nach Nordindien ein, die den weiteren kulturellen Verlauf maßgeblich prägten. Dadurch verschmolzen verschiedene Religionen: die altindischen Religionen und die Religion der vermutlich aus dem Norden eingewanderten Arier. Große Teile der Urbevölkerung Indiens, deren Geschichte weitgehend im Dunkeln liegt, wurden wahrscheinlich im Laufe der Zeit immer weiter in den Süden verdrängt. Aus dieser Kultur könnten Elemente wie die Verehrung von Göttinnen und heiliger Tiere stammen.
2. Zeit der Upanishaden
In der nächsten Entwicklungsstufe (ca. 800 v. Chr.) erhielt die Brahmanenkaste durch komplizierte Rituale einen hohen Grad an Einfluss. Eine Neuausrichtung beginnt in der Zeit der Upanishaden (700 v. Chr. bis 500 v. Chr.).
Die Brahmanen entwickeln eine komplizierte Opfertheologie, die Aranyakas („Wald- oder Wildnisbücher“) behandeln Geheimlehren, die nicht in den Siedlungen, sondern außerhalb (eben im Wald) diskutiert wurden, und die Upanishaden enthalten mystische Spekulationen. Diese umfassen etwa 250 Schriften, die über mehrere Jahrhunderte entstanden sind und Themen wie Wiedergeburt, Yoga und Karma ansprechen.
3. Klassische Zeit
Das Ende der Upanishadenzeit kann als Einschnitt angesehen werden.
Die Zeit davor wird in der Indologie gewöhnlich Brahmanismus genannt, der Hinduismus bezeichnet dann ausschließlich die nachfolgende Zeit (ab 500 v. Chr.).
Als Hauptgötter galten nun Brahma, Vishnu und Shiva, und es wurden Tempel gebaut, Götterstatuen aufgestellt und viele Kult- und Weihehandlungen entstanden.
Seit 400 v. Chr. verloren die hinduistischen Religionen durch den Buddhismus zwar Anhänger, gingen jedoch nie ganz unter und wurden ab dem 4. Jh. n. Chr. von den damaligen Königen wieder bevorzugt.
4. Der islamische Einfluss
Seit der Eroberung eines Teils von Indien 711 n. Chr. durch muslimische Heere gibt es eine Präsenz des Islams auf dem indischen Subkontinent.
Nach anfänglichen Konflikten beider Religionen begannen sich die Religionen zu vermischen. Die muslimische Präsenz in Nordindien wurde zu einer wesentlichen Bereicherung der dortigen Kulturen auf vielen Gebieten (z. B. der Architektur, der Literatur und der bildenden Kunst, der Staatstheorie und Verwaltung, aber auch auf religiösem Gebiet).
1911 registrierte die britische Kolonialverwaltung ca. 200 000 muslimische Hindus in einer bestimmten Region.
5. Neohinduismus
Im 19. Jahrhundert entstanden in Indien verschiedene religiös-soziale Reformbewegungen, die aus der Begegnung Indiens mit Europa hervorgingen.
Das Kastensystem oder andere Traditionen wurden auch innerhalb des Hinduismus verstärkt hinterfragt. Mit dieser Entwicklung begannen Hindus sich erstmals als Einheit aufzufassen. Christliche Missionare in Indien bewirkten weniger ein Konvertieren zum Christentum als eine Auseinandersetzung mit der eigenen Religion. Die Übersetzungen der indischen Schriften nach Englisch in gedruckter Form hatten zur Folge, dass das traditionelle Schriftgut auch in Indien einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde.
Einige Hindus betrachteten den Hinduismus als die Vollendung aller Religionen.
Andere vertreten die Ansicht, alle Religionen der Welt verkündeten dieselbe Wahrheit, die Vielfalt der Religionen sei lediglich Schein.
3.3 Theologie
Die heutige Bedeutung und das Verständnis des deutschen Begriffs „Gott“ mit dem Hinduismus in Bezug zu setzen, könnte verwirrend wirken. Von den indogermanisch ererbten Grundzügen her bestehen aber Zusammenhänge, die auch den Begriff „Gott“ betreffen. Manche Strömungen des Hinduismus glauben an einen obersten Gott, benannt als Ishvara (wörtlich: der Höchste Herr).
Es gibt auch ihm unterstellte Wesen, die Devas genannt werden. Sie können Götter, Halbgötter, Engel, himmlische Wesen oder Geist sein und stehen zwischen dem Ishvara und den Menschen.
Einer der wichtigsten Begriffe im Hinduismus ist das Brahman – der höchste kosmische Geist. Brahman ist die unbeschreibbare, unerschöpfliche, allwissende, allmächtige, nicht körperliche, allgegenwärtige, ursprüngliche, erste, ewige und absolute Kraft. Es ist ohne einen Anfang, ohne ein Ende, in allen Dingen enthalten und die Ursache, die Quelle und das Material aller bekannten Schöpfung, rational unfassbar und doch dem gesamten Universum anwesend.
3.4 Relevanz des Kastensystems
Die Zugehörigkeit zu einer Kaste hat für indische Hindus trotz des Verbots von Diskriminierung aufgrund von Kasten in der Verfassung weiterhin Relevanz. Grundsatz der Kastenordnung ist, dass die Lebewesen von Geburt an nach Aufgaben, Rechten, Pflichten und Fähigkeiten streng voneinander getrennt werden. Für die einzelnen Kasten gibt es unterschiedliche spezielle religiöse Vorschriften, die alle Bereiche des Lebens betreffen. Die Durchführung dieser Vorschriften jeder Kaste ist ihre unbedingte Pflicht. Übertretungen werden als Versäumnis der Pflichten und folglich als schlecht angesehen. Was von jedem Menschen erwartet wird ist, dass er den spezifischen Pflichten seiner Kaste folgt, seine Lebenswünsche befriedigt und die Freuden des Lebens genießt.
Die Gesellschaft ist in vier Kasten eingeteilt, deren Aufgaben idealerweise folgende sind:
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Brahmanen. Sie studieren die heiligen Schriften, erteilen geistliche Unterweisung und führen die rituellen Opfer aus.
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Kshatriyas, die Kriegerkaste. Sie sollen die Schwachen schützen, als Könige gerecht regieren und den Brahmanen Schutz und Ermunterung bei ihren gelehrten und priesterlichen Arbeiten gewähren.
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Vaishyas, die Kaste der Händler und Hirten, sollen den Reichtum des Landes durch Handel und Landwirtschaft vermehren.
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Shudras, die dienende Kaste. Sie setzen sich aus der Bevölkerung der Nicht-Aryas zusammen und sollen als Bedienstete für die Brahmanen, Kshatriyas und Vaishyas arbeiten.
Unterhalb der vier Hauptkasten sind die Dalits (früher als „Unberührbare“ bezeichnet), die für minderwertige Arbeiten wie Toilettenreinigen und Straßenkehren zuständig sind.
Hinduistisches Götterbild
Quellen:
http://www.kirchenaustritt.de/hinduismus/
http://de.wikipedia.org/wiki/Hinduismus
http://www.heiliges-indien.de/hinduismussicht.htm
4. Stellung und Maßnahmen der Regierung zum Kastensystem
Seit dem Jahr 2001 werden in den Kreisen der indischen Regierung breite Debatten über den Umgang mit dem Kastensystem geführt. Während internationale Organisationen wie die UN internationale Debatten mit indischer Beteiligung fordern, steht dies für die indische Regierung jedoch außer Frage, da sie sich weigert, das Kastensystem als Problematik anzuerkennen.
Nicht nur für die Regierung, die aus hinduistischen Führungspersönlichkeiten und Teilen der Besitzenden Masse besteht, sondern auch für die breite Masse der gläubigen Bevölkerung ist das Kastensystem ein elementarer Bestandteil der indischen Kultur. Eine Einmischung ausländischer Interessen, wie zum Beispiel in Form einer UN-Debatte, als tief greifender eingriff in die Kultur Indiens nicht akzeptabel.
Der Vorwurf, in dem das Kastensystem mit der Apartheid in Süd-Afrika gleichgestellt wird, wird stets mit der Begründung zurückgewiesen, dass die südafrikanische Rassentrennung eine von der Regierung durchgeführte Maßnahme war, die sich auf rassistischen Ideologien Begründet. Das Kastensystem jedoch ist seit vielen Tausend Jahren ein Teil der indischen Kultur, die von der Regierung nicht beeinflusst werden soll.
Rechtlich gesehen existiert das Kastensystem in Indien nicht. Es ist ein rein religiöser Bestandteil. So, wie im deutschen Grundgesetz die Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Religion oder anderen Faktoren nicht erlaubt ist, besteht auch im Indischen Gesetz der Paragraph 17, der besagt, dass einem Menschen aufgrund seiner Kaste keine Nachteile entstehen. Dies ist jedoch nur der Zustand de Jure. De Facto sind „Unberührbare“ nicht in führenden Positionen zu finden, genauso wenig in der Armee oder im Fernsehen, obwohl ihnen das Recht dazu gegeben ist. Dies begründet sich darin, dass zwar die Benachteiligung von Bürgern niedrigerer Kasten untersagt ist, es allerdings auch der anderen Seite nicht verboten ist, die kastensystematisch höher gestellten durchweg bei zum Beispiel der Vergabe von Stellen zu bevorzugen.
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Quelle:
http://www.kas.de/wf/de/33.3653/
www.wikipedia.de
5. Stellungnahme
Indien ist durchaus ein äußerst vielfältiges Land. In vielerlei Hinsicht gilt dies, dennoch ist diese Vielfalt in keinem Bereich derart ausgeprägt, wie in der Religionsvielfalt. Hier ist zwar der Hinduismus vorherrschend, dennoch ergaben sich zahlreiche Abspaltungen über die Jahre. Das Kastensystem ist nicht zuletzt eine Ordnung aus dem Hinduismus, die aus der gleichen Kategorie wie unsere frühere Ständegesellschaft kommt, sondern inzwischen viel mehr ein System mit ökonomischen Zwecken. Reiche werden reicher, Arme ärmer, und die Schere zwischen diesen beiden Parteien geht immer weiter auf.
Das Kastensystem mag zwar auch religiös im Hinduismus verankert sein, dennoch nutzt man die alte Verbundenheit zum Religiösen mehr als Legitimation und Ausrede für die Ungerechtigkeit, die Indien beherrscht.
Das Kastensystem mag zwar inzwischen von der Regierung offiziell abgeschafft worden sein, trotzdem ist es nur zu offensichtlich, dass es nicht verwischbare Spuren zieht. Ganz besondere Beispiele bieten die noch immer existierende arrangierte Ehe sowie die beruflichen Chancen als „Unberührbarer“ zunächst überhaupt einen Job zu erhalten, der über der Armutsgrenze liegt, außerdem ist an beruflichen Aufstieg so gut wie gar nicht zu denken. Viele der oberen Kasten legen darauf Wert, nur mit Gleichgestellten oder Höhergestellten zu verkehren. Angehörige von niederen Kasten werden von den Höheren zumeist auch noch gnadenlos wahrhaft mit Händen und Füßen getreten, obwohl diese schon am Boden liegen. Das wird besonders gut unterstütz durch die Tatsache, dass in Indien das Überfahren einer heiligen Kuh meist wesentlich stärker bestraft wird, als das Überfahren eines „Unberührbaren“.
Reflektierend ist zu sagen, dass das Kastensystem zwar ein Teil der hinduistischen Religion sein mag, dennoch ist der ursprüngliche Sinn und die Nutzung dieses Systems deutlich abgewandelt. Es scheint unserer alten Ständegesellschaft, die ebenso mit einer Religion verbunden war, nämlich dem christlich katholischen Glauben, dem Kastensystem sehr ähnlich. In beiden Systemen ist eine große Kluft zwischen Arm und Reich vorhanden, sowie die ungerechte und Menschenwürde verletzende Art gemein. Da die meisten Regierenden Hindus sind und das Kastensystem als Richtig erachten, kann eine Veränderung nur sehr schleppend voran getrieben werden, obwohl eine Demokratisierung dieses Systems zwingend notwendig ist.